Ein Krieg und kein Ziel

Zu Beginn des Beitrags sehe ich mich als Verfasser der nachfolgenden Zeilen in der Pflicht vorab klarzustellen, dass der Krieg in der Ukraine, wie jeder Krieg, grausam und barbarisch ist. Die Taten des Aggressors Wladimir Putin werden in keiner Weise relativiert. Diese Aussagen bleiben unberührt, unabhängig davon welche Äußerungen im weiteren Verlauf des Beitrags getätigt werden. Ich fühle mich genötigt explizit nochmal darauf hinzuweisen, um nicht absichtlich falsch verstanden oder Opfer willkürlicher Unterstellungen zu werden.

Mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar des vergangenen Jahres entdeckte ein Großteil der deutschen Politik einen moralischen Kompass, der, so scheint es, exklusiv für die Ukraine Gültigkeit besitzt. Berührungspunkte mit kriegerischen Auseinandersetzungen an anderen Orten der Welt haben wir bestenfalls, wenn wir durch Waffenlieferungen an Kriegsparteien Geld verdienen. Beispielsweise können hier die Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien genannt werden, mit denen wir aktiv die Zerstörung des Jemen unterstützen. In vielen weiteren Gebieten dieser Erde zeigen wir kein sonderlich ausgeprägtes Interesse für leidende Bevölkerungen. In puncto Ukraine folgen wir dagegen bedingungslos unseren neu entwickelten Moralvorstellungen und akzeptieren keinerlei Abweichung vom Regierungskurs. Die Parallelen zur Corona-Pandemie sind nicht zu übersehen und dienen als Beweis dafür, dass wir aus den Fehlern der Vergangenheit, was den Umgang mit unterschiedlichen Meinungen angeht, nichts gelernt haben. Das Resultat ist eine abermalige Spaltung der Gesellschaft.

Was Putin denkt

Hinsichtlich Putins vollumfänglichen Absichten verfügen wir über kein gesichertes Wissen. Auch wenn hier und da Regierungsmitglieder in der Öffentlichkeit behaupten zu wissen, welche Schritte die nächsten sind. Exemplarisch für die Überschätzung der eigenen Ansichten ist Frau Strack-Zimmermann von der FDP. Sie weiß, Putin verstehe „nur die Sprache der Stärke“. Diese Einschätzung erklärt auch die vielen provozierenden Äußerungen die sie reflexartig tätigt, sobald eine Kamera oder ein Mikrofon in ihrer Nähe sind. Mit Sätzen à la „Mit Russland unter Putin und seinen Getreuen kann man nicht verhandeln“ schließt man von sich aus die Tür der Diplomatie, nicht von russischer Seite. Frau Strack-Zimmermann „Traue Putin alles zu“ und trotzdem riskiert sie in der Endkonsequenz mit ihrem Handeln, mit ihren Reaktionen einen Weltkrieg. Wie passt das zusammen? Dienen ihre Äußerungen ausschließlich der Dämonisierung von Putin? Ist er nun unberechenbar und zu allem fähig, also auch zum Einsatz von atomaren Waffen? Wenn ja, reagiere ich dann so auf ihn?
Sind Äußerungen wie von Frau Strack-Zimmermann zielführend, wenn man Frieden möchte? Wenn wir angeblich so genau wissen was Putin vorhat, wie er tickt und wie man mit ihm umgehen muss, sollten wir dann nicht irgendwann einen Vorteil für uns erkennen können?

Keinen Millimeter weiter

Was ist unser Ziel in diesem Krieg? Sind wir uns da geschlossen einig?
Anfangs hieß es die Ukraine dürfe nicht verlieren oder Russland darf nicht gewinnen. Mittlerweile hat sich die Sache sprachlich etwas gedreht und immer mehr wird der Sieg der Ukraine als Zielsetzung ausgegeben. Für manch einen ist da kein signifikanter Unterschied zu erkennen, so geht es jedoch in einer so gefährlichen Situation, in der wir uns gegenwärtig befinden, um Nuancen. Jeder kleine Fehler, wie der von Frau Baerbock mit ihrer Aussage „Wir führen einen Krieg gegen Russland…“, kann eine Eskalation herbeiführen.
Was ist unser Ziel in diesem Krieg? Helfen wir mit Waffenlieferungen, damit sich die Ukraine verteidigen kann? Oder soll die Ukraine den Krieg gewinnen? Wenn man gewinnen will, muss man zwangsläufig auch angreifen. Unsere Hilfen dienen, stand heute, lediglich der Verteidigung. Wie passt das zusammen?

Wollen wir in diesem Krieg einen Sieg um jeden Preis? Auch unter Inkaufnahme eines Weltkrieges? Wie definieren wir für uns einen Sieg? Da gibt es keine einhellige Meinung. Den Wunsch und das Ziel zu haben, alle russischen Soldaten vom ukrainischen Territorium zu verbannen ist verständlich! Aber was für Opfer müssen dafür gebracht werden? Sind wir bereit jede rote Linie dafür zu überqueren? Was ist unser konkretes Ziel? Wie wollen wir es erreichen? Haben wir Fehler gemacht? Läuft alles nach Plan?
Wenn Putin nur die Sprache der Stärke versteht, war sie dann bis jetzt noch nicht stark genug? Oder haben wir uns in unserer Einschätzung geirrt?
Es liegt in der Natur der Politik, dass man nie an den Punkt kommt, an dem man offen und ehrlich hinterfragt, ob die eigene Strategie vielleicht rückblickend falsch war und eine Kursänderung notwendig ist. Egal was wir bis zum heutigen Tag gemacht, gesagt, geschickt haben, ein Effekt ist auch mit wohlwollender Betrachtungsweise nicht zu erkennen, im Gegenteil. Mehr und mehr wird gefordert, mehr und mehr wird geliefert. Sind wir aber in einem Jahr Krieg nur einen Millimeter näher an unser Ziel gekommen, welches auch immer es nun sein mag? Der bisherige Verlauf und die Dauer des Krieges sind wenig überraschend.

22. Februar 2023 Politik