Nord Stream – Der Anschlag ohne Täter

Wer ist verantwortlich für die Anschläge auf die Gaspipelines von Nord Stream 1 und 2? Diese Frage ist weiterhin ungeklärt. Nach aktuellen Ermittlungen steckt eine private proukrainische Gruppe von sechs Personen hinter den Anschlägen. Die ukrainische Regierung wehrte die Vorwürfe einer Beteiligung ab, sah die Vermutung aber zugleich als „eine Art Kompliment“. Seltsamerweise stört sich bis heute niemand an dieser Äußerung.
Es steht also im Raum, dass ein loser Verbund, bestehend aus sechs Privatpersonen, ohne staatliche oder geheimdienstliche Unterstützung oder Genehmigung die Energieversorgung Europas angegriffen hat. Nur mit viel Fantasie kann man dieser Verschwörungstheorie Glauben schenken.
Selbst Wladimir Putin hält diese Verschwörungstheorie für „totalen Unsinn“. Seiner Ansicht nach kann eine Aktion dieser Größenordnung nur von Spezialisten mit „Unterstützung eines Staates, der über die entsprechende Technologie verfügt“ durchgeführt werden. Klingt realistischer, oder?

Putin, Biden oder Selenskj

Wer ist verantwortlich für die Anschläge? Von einer Antwort sind wir genauso weit entfernt wie am ersten Tag.
Festzustellen ist, dass sowohl die Russen, als auch die Ukrainer und ebenso die US-Amerikaner Motive haben. Es ist nicht auszuschließen, dass Putin der Urheber des Angriffs ist – um ein Ausrufezeichen zu setzen und zu zeigen, wie weit er bereit ist zu gehen. Gleichermaßen hätte die ukrainische Regierung sicherlich ein gewisses Interesse daran es aussehen zu lassen, als wären die Russen verantwortlich für die Tat. Die Idee Putins, „Theoretisch könnten die USA ein Interesse daran haben, die russischen Energieträger auf dem europäischen Markt zu verhindern“, kann auch nicht per se ins Reich der Fabel verwiesen werden.
Hier handelt es sich lediglich um Spekulationen. Jeder muss an dieser Stelle für sich selbst ein Gefühl entwickeln, welche der dargelegten Verschwörungstheorien wohl eher der Realität entspricht. Jeder Seite ist alles zuzutrauen. Auch eine False-Flag-Operation, von wem auch immer, ist nicht kategorisch auszuschließen. In den deutschen Medien, und das ist wenig überraschend, wird sowas nur einer Seite zugetraut. Wirft man den Russen eine False-Flag-Operation vor, ist es stets eine berechtigte Vermutung! Spielt man mit dem Gedanke die Amerikaner haben den Angriff unter falscher Flagge zu verantworten, handelt es sich natürlich um eine haltlose Verschwörungstheorie und schlimmen Antiamerikanismus!

Wenn man herausfinden will wer der Täter ist, muss man alle Möglichkeiten in Betracht ziehen und für jedes Ergebnis aufgeschlossen sein. Dass die US-Amerikaner an den Ermittlungen beteiligt sind, gleichwohl sie auch eigene Interessen in diesem geopolitischen Spiel haben, hat einen faden Beigeschmack. Wirkt ein potenzieller Täter bei den Ermittlungen mit, verunmöglicht das wohl eher eine vollständige Aufklärung.

Wenn das kein Zufall ist…

Der US-Investigativjournalist Seymour Hersh publizierte im Februar dieses Jahres seine Erkenntnisse über die Verantwortlichkeit der US-Amerikaner bezüglich der Pipeline-Sprengung. Hersh deckte über Jahrzehnte zahlreiche US-Kriegsverbrechen auf und gewann u. a. 1970 den Pulitzer Preis für internationale Berichterstattung.
In seinen Einlassungen bezüglich Nord Stream machte er beispielsweise auf die bis dato medial kaum beachteten Aussagen von US-Präsident Biden aufmerksam. Dieser sagte im Februar 2022 bei einer Pressekonferenz, bei der auch Bundeskanzler Scholz anwesend war, folgendes: „Wenn Russland einmarschiert, wird es kein Nord Stream 2 mehr geben, wir werden dem Projekt ein Ende setzen“. Auf die Nachfrage einer Reporterin, wie genau er das umsetzen möchte, da das Projekt u. a. unter deutscher Kontrolle stehe, sagte Biden kryptisch: „Ich verspreche, dass wir in der Lage sein werden, es zu tun“.
In Anbetracht der Tatsache, dass es bis heute noch keine finalen Ermittlungsergebnisse gibt, kann man diese Aussagen nicht gutgläubig wegignorieren. Es ist kein Beweis, aber ein Indiz. Bis heute gibt es keinen Aufschrei. Warum eigentlich nicht? Hätte Putin diese Aussagen getroffen, wäre das sicherlich DER Beweis für seine Täterschaft.
Nach der Veröffentlichung von Seymour Hersh gab es einen kurzen Moment, in dem es Spielraum für bestimmte Vermutungen gab. Noch bevor sich diese Vermutungen genügend ausbreiten und detailliert besprochen werden konnten, machten plötzlich, und nach langer Stille, die aktuellen Ermittlungserkenntnisse die Runde und hier schließt sich der Kreis.

Mit großer Wahrscheinlichkeit wird der Schuldige nie zur Rechenschaft gezogen werden. Niemand will es gewesen sein. Jeder streitet es ab und schiebt die Vorwürfe einfach weiter. Bis zum heutigen Tag ist ausnahmslos jeder Verdacht lediglich eine Verschwörungstheorie.

20. März 2023 Politik