Der Unterschied zwischen „Ich möchte nicht“ und „Ich darf nicht“

Das Thema Corona lässt uns auch nach über einem Jahr weiter kontrovers diskutieren.
Mit täglich aktualisierten Statistiken und Studien -welche sich nicht selten widersprechen- hangeln wir uns von Woche zu Woche, von Monat zu Monat. Wie langfristig mit dem Virus umgegangen werden soll, gerade auch was Impfungen betrifft, wird noch verhältnismäßig zurückhaltend diskutiert. Noch zu Beginn der Pandemie war es ein Tabu von einer möglichen Impfpflicht zu sprechen. Jeder Kritiker der das Wort in den Mund nahm und seine Befürchtungen aussprach, wurde als Verschwörungstheoretiker abgestempelt. Die Situation hat sich jedoch über die Monate dahin entwickelt, dass bei immer mehr Leuten eine Akzeptanz für eine Impfpflicht entstanden ist und in den Augen vieler Menschen fast schon eine Notwendigkeit dafür besteht, wenn auch „nur“ trickreich durch die Hintertür.

Glücklicherweise sieht die Mehrheit der Leute diese Ideen kritisch. Ebenso äußerten einige Politiker ihre Bedenken bezüglich der Umsetzbarkeit und sprachen sich gegen das Bevorteilen von geimpften Personen aus. Trotzdem wäre es an dieser Stelle falsch zu vermuten, dass somit ein Impfzwang ausgeschlossen ist. Denn vereinzelt kommen hier und da auch recht namhafte Politiker mit konkreten und beängstigenden Aussagen um die Ecke. So zuletzt Außenminister Maas und Bundeskanzlerin Merkel.

„…dann muss man vielleicht schon solche Unterschiede machen und sagen, ok, wer das nicht möchte, der kann auch bestimmte Dinge nicht machen.“
Mit diesem eindeutigen Satz überraschte die Bundeskanzlerin nicht nur, sondern sie lässt auch erahnen, wie fortgeschritten die Gedankenspiele im Kanzleramt schon sind. Im Gleichschritt äußerte sich Heiko Maas im BILD-Interview wie folgt: „Geimpfte sollten wieder ihre Grundrechte ausüben dürfen.“
Wenn sich in einer so speziellen Thematik zwei Politiker so weit aus dem Fenster lehnen und solche Äußerungen tätigen, kann man schon eine leichte Tendenz erkennen.

Wir leben im Jahr 2021 und diskutieren (zu Recht) über Rassismus, wir wollen (zu Recht) das Wort Zigeunerschnitzel aus unserem Vokabular streichen, überlegen (zu Recht) die Mohrenstraße in Berlin umzubenennen und befassen uns (zu Recht) vermehrt mit Gendersprech. Menschen sollen nicht mehr mit historisch negativ aufgeladenen Begriffen verletzt werden. Menschen sollen nicht mehr ausgegrenzt werden. Im selben Jahr, in dem wir solch wichtige Diskussionen führen, steht es ernsthaft im Raum, offiziell eine Zweiklassengesellschaft zu installieren. Es wird offen die Möglichkeit in den Raum geworfen, dass Menschen die sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht impfen lassen möchten, beispielsweise keinen Zutritt zu öffentlichen Veranstaltungen haben. Nur noch Geimpfte in die Kinos, Restaurants oder Fußballstadien. Nur noch Geimpfte dürfen sich in größeren Gruppen versammeln. Das Gefährliche an der ganzen Thematik ist, dass es scheinbar nicht mal Gesetze für so eine Herangehensweise der Einschränkungen benötigt. Erste Fluggesellschaften sprechen davon, nur Passagiere mit Impfpass in die Maschinen zu lassen. Ähnliche Planspiele äußerte der Ticket-Händler Eventim. Das alles ohne großen Aufschrei, ohne großen Medienrummel. Um diesem Wahnsinn die Krone aufzusetzen, spielte ein Mitglied des Ethikrats der Bundesregierung, namentlich Prof. Dr. Wolfram Henn, mit dem Gedanke, Impfgegner könnten im Krankheitsfall auf lebensrettende Maßnahmen verzichten.
Man stelle sich vor, Syrern würde systematisch, aufgrund ihrer Nationalität, der Zutritt zu Restaurants verwehrt. Oder ein Ivorer wird prinzipiell, aufgrund seiner Herkunft, im Krankenhaus nicht behandelt. Ich möchte nicht noch mehr solch grauenhafte Beispiele heranführen. Menschen mit einer fehlenden Impfung so zu behandeln wäre aber scheinbar für einige Personen in Ordnung.
Wir sind gesellschaftlich, was das Thema Rassismusbekämpfung etc. betrifft, auf einem guten Weg, da sollten wir nicht den Fehler machen und die Menschen, die ausgegrenzt werden, nur austauschen. Nun keine Spaltung mehr aufgrund von Hautfarbe, Herkunft oder Ethnie, sondern aufgrund einer Impfung.

Man kann nur hoffen, dass auch die Mehrheit der Unternehmen im Land nicht den Beispielen bestimmter Fluggesellschaften oder Eventim folgen. Gerade nach so einer langen schwierigen Zeit würden sich die Unternehmen ins eigene Fleisch schneiden, selektierten sie bald ihre Kunden auf Basis einer Impfung.

Meiner Meinung nach steht es außer Frage, dass es keine grundsätzlichen Privilegien für Geimpfte geben sollte. Eine gegenteilige Entscheidung zu treffen halte ich für undemokratisch. Würde sich am Ende doch so eine Ansicht durchsetzen, dann wäre eine demokratische Legitimation doch sehr begrüßenswert. Wie wäre es mit einem Volksentscheid nach Schweizer Vorbild?

Ich möchte nicht ins Kino gehen. Ich darf nicht ins Kino gehen.
Ich möchte nicht ist eine eigene freie Entscheidung. Ich darf nicht lässt keine Optionen offen.
Erkennst du den Unterschied?

15. Februar 2021 Allgemein, Corona