Deutsche Widersprüche – Der friedliche Kriegsbeitritt

Was müssen wir tun, um einen deutschen Beitritt in den Ukraine-Krieg zu verhindern?
Stellt sich diese Frage überhaupt noch? Sind wir nicht längst ein Akteur des Geschehens? Es lassen sich viele Argumente finden, die dafürsprechen. Die Frage ist wahrscheinlich auch insofern irrelevant, da die Meinung existiert, wir sind schon im Visier von Putin. „Wir sind nicht Kriegspartei, aber wir sind Kriegsziel aus Putins Sicht, wie Manfred Weber von der CSU bei Illner resümierte.
Nach über zwei Jahren Krieg ist festzustellen, dass sich ein Großteil der Experten geirrt hat. Die, die der Auffassung waren, die Ukraine hat eine realistische Chance auf einen Sieg und die, die einen schnellen Erfolg der Russen prophezeit haben. Nun befinden wir uns in einer Situation, in der jede weitere Entscheidung irgendwie falsch erscheint – seien es weitere Waffenlieferungen oder auch das Einstellen ebendieser. In diesem Beitrag soll es nicht darum gehen die Gewinnchancen einzelner strategischer Entscheidungen zu bewerten, denn der Status Quo spricht eine eindeutige Sprache: Zu wenig zum Leben, zum Sterben zu viel!

Das Völkerrecht

Man sollte meinen, das Völkerrecht definiert in einem ganz klaren Rahmen, welche Linien nicht übertreten werden dürfen, um den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung nicht zu verlassen. Aber auch hier gibt es, wen überrascht es, solche und solche Expertenmeinungen. Ist das Völkerrecht also nicht präzise genug formuliert, wenn es in diverse Richtungen gedeutet werden kann?
Waffenlieferungen sind vom Völkerrecht gedeckt. Macht es nicht aber einen Unterschied, ob es sich um Lieferungen handelt, die ausschließlich der Geschäftemacherei dienen, unabhängig davon ob und gegen wen die Waffen verwendet werden? Oder ob diese Lieferungen aufgrund eines Krieges rasch vervielfacht werden, um explizit einer der Kriegsparteien zum Sieg zu verhelfen?
Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen die Einweisung der Konfliktpartei beziehungsweise Ausbildung an solchen Waffen zur Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen, so die Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags in 2022. Spätestens seit April desselben Jahres wissen wir, dass ebensolche Ausbildungen stattfinden und zwar auf deutschem Boden – in Ramstein.
Hiesige Politiker verstecken sich hinter dem Völkerrecht, ohne Einigkeit darüber zu erzielen, wie welche Handlung ausgelegt wird. Gleichzeitig lässt man keine Rede ungenutzt, um verbal in Richtung Putin zu schießen und die Bereitschaft zu signalisieren, alles für den Erfolg der Ukraine tun zu wollen. Wir liefern mehr und mehr Waffen, sprechen in immer rauer werdender Tonart über den FEIND Russland – den es zu besiegen gilt –  überbieten uns mit Solidaritäts- und Unterstützungserklärungen gegenüber der Ukraine, ducken uns dann aber weg, tun auf Völkerrechtsebene so, als hätten wir mit allem nichts zu tun und betonen nicht Teil des Krieges werden zu wollen. Was macht das mit der deutschen Glaubwürdigkeit? Wäre es so überraschend, wenn Putin uns als Kriegspartei registriert? Man hält am Strohhalm Völkerrecht fest, um irgendwie noch ein Argument zu finden, wonach man aus deutscher Sicht eigentlich unbeteiligter Akteur ist. Eine lebensgefährliche Unlogik.
Um Missverstände zu vermeiden: Ich möchte nicht die Wichtigkeit des Völkerrechts infrage gestellt wissen!

Wer will (nicht) verhandeln?

In den hiesigen Leitmedien wird Putin ausnahmslos die Bereitschaft zu Friedensverhandlungen abgesprochen. Mittlerweile ist bekannt, dass recht früh nach Kriegsbeginn, Friedensverhandlungen stattgefunden haben, scheinbar auf keinem schlechten Weg waren, dann aber vermeintlich in Person von Boris Johnson, dem damaligen Premierminister des Vereinigten Königreichs, torpediert wurden.
Erst kürzlich, als Reaktion auf die „weiße Fahne“-Äußerung des Papstes, stellte der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow klar, dass Verhandlungen „der bevorzugte Weg“ seien. Natürlich sind das auch erstmal nur Worte, die auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden müssen. Prinzipiell sprechen jedoch Aussagen dieser Art gegen die medialen Darstellungen in Deutschland, wonach eigentlich nur wir, die Guten, für Verhandlungen offen sind. Aber was ist eigentlich mit uns? Sind wir wirklich so bereit, wie wir immer vorgeben? Ungeachtet der Forderungen, von welcher Seite sie auch kommen mögen, und ob diese dann gerechtfertigt oder realitätsbezogen sind, so sollte von allen Seiten und zu jedem Zeitpunkt, unverschlossen Gesprächsbereitschaft signalisiert werden. Bei näherem Hinsehen, ist da bei allen Beteiligten viel Luft nach oben.

Vergiftete Diskussion

Wie viel Widerspruch verträgt eine so wichtige Thematik, ohne ins absolute Chaos zu stürzen? Man muss kein brutaler Diktator sein um zu erkennen, dass wir nicht ehrlich sind.

„Putin ist alles zuzutrauen!“ Droht er mit Atomwaffen, nehmen wir das nicht ernst.
„Wir werden keine Kriegspartei!“ Wollen aber alles Mögliche für den Sieg der Ukraine tun.
„Wir tun alles um der Ukraine zu helfen!“ Es gibt aber keine Bodentruppen, keine Taurus etc.

Die Argumentationen sind übersät von Widersprüchen. Weist man auf diese und auf die unkontrollierbaren Gefahren dahinter hin, steht der Vorwurf im Raum, ein Putin-Versteher zu sein, russische Propaganda wiederzugeben und moralische Defizite zu besitzen. Mit dieser diskursfeindlichen Art möchte man Menschen mit einer anderen Betrachtungsweise ausschließen.
Ist unser Engagement so uneigennützig und ausschließlich der Moral verfangen oder haben wir auch ein vitales Eigeninteresse? Denn am Ende geht es auch um unsere Sicherheit. Wäre wohl auch eine Erklärung, weshalb uns manche Kriege recht wenig interessieren.
Nach Auffassung deutscher Experten à la Strack-Zimmermann und Kiesewetter entscheidet lediglich die Ukraine wie lang sie kämpft und Widerstand leistet und wie die Kriegsziele definiert werden. Aber was wenn die Ukraine morgen aufgibt und Putin gewinnt? Nach all den deutschen Kampfansagen gen Moskau. Akzeptieren wir dann die Entscheidung der Ukraine, Frau Strack-Zimmermann, Herr Kiesewetter? Darüber mal nachgedacht? Wie können diese Personen immer und immer wieder mit einer Selbstverständlichkeit versprechen, dass wir keine Kriegspartei werden, obwohl wir das ja gar nicht allein in der Hand haben? Was ist wenn Putin morgen ein NATO-Land angreift? Zählen dann diese Worte noch?
Egal ob in Talkshows, Bundestagsreden, Interviews oder Social Media Posts, überall fehlt es den sogenannten Experten an Weitsicht. Nüchterne und unaufgeregte Analysen werden schmerzlich vermisst und das ist wohl auch ein Grund dafür, weshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein zeitnahes Ende des Krieges möglich sein wird.

 

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/illner-weber-ukraine-krieg-putin-100.html
https://www.tagesschau.de/inland/ausbildung-soldaten-gutachten-101.html
https://www.rnd.de/politik/krieg-in-der-ukraine-usa-bilden-ukrainische-soldaten-in-deutschland-aus-PCF35GBXYG235MKY775T4CXE6M.html
https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/weisse-fahne-moskau-nach-vorschlag-aus-vatikan-zu-verhandlungen-bereit_id_259754059.html

 

29. März 2024 Politik