Illusion und Glaube – Wie Geld unser Denken manipuliert

Es liegt in der Natur des Menschen, eine gewisse Sinnhaftigkeit im Leben zu haben und damit verbunden, persönliche Ziele zu verfolgen. Diese Ziele können so vielfältig wie die Menschheit selber sein, je nach individueller Prägung. Das Spektrum reicht von Familiengründung, über Ausübung einer erfüllenden beruflichen Tätigkeit, bis hin zur Optimierung der eigenen Persönlichkeit. Zweifelsfrei ehrenwerte und nachvollziehbare Ziele. Im großen Schatten dieser Beispiele existiert jedoch eine Flut an Zielen, Träumen und Wünschen, die in irgendeiner noch so entfernten Weise mit Geld zu tun haben. Ist es der alljährliche große Urlaub, ein neues Auto, der Bau eines Eigenheims oder der simple und illusionäre Traum durch ein riesen Vermögen Freiheit zu erlangen. Das was uns täglich antreibt, positiv wie negativ, ist Geld. Sozusagen der Motor unserer Gedanken.

Es mag übertrieben klingen, ja, aber ich gehe noch weiter und behaupte, Geld ist nach dem Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Judentum und dem Islam die 6. große Weltreligion. Was verbindet bitte Religionen mit Geld? Die kurze und knappe Antwort ist der Glaube. Wir behandeln geprägte Edelmetalle, bunt bedrucktes Papier und Zahlen im Computer wie gottesähnliche Erscheinungen und leben nach deren vorgegebenen Regeln. Wir verhalten uns so, wie es das Geld von uns erwartet. Dem Geld wird alles untergeordnet.
Viele Menschen üben ihren Beruf lediglich aus weil sie dafür bezahlt werden. Würde es kein Geld geben, hätten sie kein Interesse eine Tätigkeit auszuüben die ihnen keinen Spaß macht oder keinen tieferen Sinn hat. Da nimmt man sogar Unzufriedenheit in Kauf wenn das Angebot stimmt.
Ein weiteres Beispiel sind Familienväter, die es oft als ihre größte väterliche Aufgabe sehen, so viel Geld wie möglich nach Hause zu bringen, nicht aber ein bestmöglicher Vater für die Kinder zu sein. Keine Zeit, dafür Geld.
Zu guter Letzt, um die falsche Einordnung von Geld zu verdeutlichen, ist an große erfolgreiche Konzerne zu erinnern, denen die Gewinnmaximierung so wichtig ist, dass sie bei der Produktion Menschenrechte außer Acht lassen und sogar Kinderarbeit unterstützen.
Folgende bekannte Redewendungen kommen nicht von ungefähr und zeigen ebenso welchen Stellenwert Geld hat:
– Zeit ist Geld.
– Bei Geld hört die Freundschaft auf.
– Geld regiert die Welt.
– Was kostet die Welt?

Betrachtet man die Sache mal nüchtern, sind unsere Geldscheine und Münzen nicht mal ansatzweise das Wert was sie vorgeben. Einzig die 1-Cent-Münze ist ihr Geld wert. Bei allen anderen Münzen und Scheinen sind die Herstellungskosten ebenfalls nur Cent-Beträge. Also woher nimmt Geld seine Kaufkraft, seine Macht die Menschen zu lenken? Die kurze und knappe Antwort ist der Glaube.
Ich weiß, wenn ich mit 5 Euro zum Bäcker gehe, bekomme ich im Tausch mit dem Geld Backwaren im Wert dieser 5 Euro. Der Bäcker wiederum weiß, dass er theoretisch das Gleiche tun kann und im Tausch mit diesem Schein beispielsweise beim Fleischer Wurst im Wert dieser 5 Euro erhalten wird. Ohne den gemeinschaftlichen, einheitlichen Glaube an diesen Schein würde es nicht funktionieren und wir hätten wertloses Geld.
Der Glaube ist aber so groß, dass wir sogar Geld nutzen bzw. ausgeben wollen, welches wir nicht mal haben. Das Thema Kredite jetzt noch aufzugreifen würde jedoch den Rahmen sprengen…

Ein weiterer wichtiger und nicht zu vernachlässigender Punkt ist die Erzeugung von monetären Illusionen. Durch sie kann der Glaube an Geld immer weiter wachsen und jedem Widerspruch trotzen.
Beispielhaft ist die naive Illusion, jeder könne Millionär werden, man müsse nur hart genug arbeiten. Ein Trugschluss den die Wenigsten auf dem Zettel haben, denn es kann keine 8 Milliarden Millionäre geben, auch wenn alle gleichermaßen viel und hart arbeiten. Es muss Gewinner und demzufolge auch Verlierer geben. Hierzu ein kurzes und simples Beispiel.
Ein 5-Euro-Schein der in meinem Portemonnaie ist, kann nicht gleichzeitig bei einer anderen Person im Portemonnaie sein. Sammeln sich gigantische Summen bei mir an, fehlt diese Summe quasi an anderer Stelle. Bedeutet also, wenn das gesamte Finanzvolumen unseres Planeten beispielsweise 200 Milliarden US-Dollar beträgt und allein Amazon-Gründer Jeff Bezos hat 176 Milliarden davon, bleibt für den Rest der Welt nur ein kleiner Teil von 24 Milliarden übrig. Zugegeben die 200 Milliarden sind von mir natürlich stark reduziert, die eigentliche Zahl ist um ein Vielfaches höher. Jeff Bezos´ Vermögen hingegen war nicht ausgedacht…Er bleibt zwar das Nonplusultra, aber er ist nicht der einzige Reiche. Die BMW-Großaktionäre Susanne Klatten und Stefan Quandt gehören definitiv zu diesem elitären Kreis. Im Jahr 2018 haben sie zusammen pro Tag (!) 3,07 Mio Euro leistungsloses Einkommen bezogen, Dividende versteht sich. So viel zu „Du musst nur hart genug arbeiten, dann kannst du es schaffen.“…
Macht jemand auf der einen Seite Gewinn, macht auf der anderen Seite jemand Verlust. Daran sollten wir uns erinnern, wenn wir uns wieder nicht daran stören welchen Reichtum einige Wenige anhäufen, oft ohne eine besondere Leistung zu erbringen die es rechtfertigt so vermögend zu sein.

Die von Geld erzeugten Illusionen lassen uns ebenfalls in dem Glaube, dass es ok ist wenn ein Fußballer für einen dreistelligen Millionenbetrag von Klub A zu Klub B transferiert wird. Gleichzeitig wird in diesem Zusammenhang das Bewusstsein unterdrückt, dass an anderen Orten der Welt Kinder den Hungertod sterben. Auch wenn diese beiden Sachen auf den ersten Blick keine direkte Verbindung aufzeigen, so ist diese doch existent. Erinnern wir uns an das gerade genannte Beispiel mit dem 5-Euro-Schein im Portemonnaie. Hat ein Fußballverein 222 Millionen Euro um sich EINEN Spieler zu kaufen, muss dieses Geld auf der anderen Seite irgendwo fehlen. Der Fußballexperte und ehemalige Kommentator Marcel Reif kritisierte in der Vergangenheit oft die obszönen Summen im Fußballgeschäft, relativierte die Sache jedoch etwas indem er darauf hinwies, dass durch die explodierenden Summen trotzdem kein Kind weniger Milch bekommt. Die Aussage klingt erstmal korrekt, zeigt aber die gefährlichen Denkfehler. Die 222 Millionen Euro die für einen Fußballspieler ausgegeben werden, können nicht gleichzeitig für etwas Sinnvolles ausgegeben werden. Ich denke da an Milch für hungernde Kinder? Ethik und Moral haben eben wenig Platz in der Glaubensrichtung des Geldes.

Die Illusionen lassen uns glauben, es gäbe eine finanzielle Freiheit die es zu erreichen gilt. Obwohl diese angestrebte finanzielle Freiheit nichts mit der eigentlichen Freiheit zu tun hat, wird beides doch meist gleichgesetzt. Jeder Mensch hat den Wunsch so frei wie möglich zu sein und dank unserer manipulierten Denkweise wird in diesem Fall direkt eine Verbindung zu Geld hergestellt. Dadurch rennen wir ein leben lang einem unerreichbaren Ziel hinterher, indem es immer heißt „mehr, mehr mehr!“.

Statt mit dem nächsten Arbeitsverhältnis oder dem verlängerten Vertrag mehr verdienen zu wollen als vorher, wäre es nicht eine Lösung immer weniger von Geld abhängig zu sein? Der Sache etwas die Kraft und Magie zu entziehen? Wäre das nicht echte Freiheit? Viele globale Probleme würden sich rasch in Luft auflösen.
Damit wir uns nicht falsch verstehen, dieser Beitrag soll keine allgemeine Kritik am Geld sein. Denn Geld hat auch ohne Frage seine Vorteile. Zudem brauch natürlich auch jeder Mensch Geld für Essen, Trinken, Kleidung, Wohnraum et cetera. Eher ist dieser Beitrag als Denkanstoß zu betrachten, die allgemeine gesellschaftliche Gewichtung bezüglich Geld zu überdenken, in Frage zu stellen und im besten Fall zu ändern.
Geld darf nicht mehr die Logik außer Kraft setzen bzw. sollte Geld auch nicht mehr die Macht haben, sinnlosen Sachen eine Logik zu geben oder unsoziale Verhaltensweisen zu legitimieren.
Wir haben uns lange genug wie abhängige Junkies verhalten die bereit sind Dinge zu tun, die wir ohne unseren Stoff nicht tun würden.

 

 

27. Juli 2020 Geld